Was sind Reflexe?

Was genau sind die frühkindlichen Reflexe?

Ein Reflex ist eine unwillkürliche, gleichartige Reaktion auf einen bestimmten Reiz. Es gibt unterschiedliche Reflexe, die für unseren Körper wichtig sind und uns schützen. Wie z.B. der Lidschlussreflex, als Schutzmechanismus des Auges.

​Die ersten Reflexe, die unser System aufbaut, sind die primitiven oder frühkindlichen Reflexe. Sie beginnen im Mutterleib, helfen bei der Geburt und sind in der frühesten Kindheit aktiv. Durch diese unterschiedlichen frühkindlichen Reflexe kommen wir erst in Bewegung. Sie sind oftmals voneinander abhängig, um für bestimmte Aufgaben in ihre Aktivität zu kommen und integrieren sich bis spätestens zum dritten Lebensjahr.

Sie regen unser Nervensystem an, wodurch sich Nervenverbindungen zum Gehirn bilden. Das Gehirn kann sich entwickeln. Diese Reflexe sorgen für den Aufbau der Muskelspannung. Sie sind für die Entwicklung der Gleichgewichtssinne, dem Zusammenspiel der Sinne und der Bewegung wichtig. Wir lernen durch sie Raum und Zeit einzuordnen, auch die Grob- und Feinmotorik zu nutzen, sowie die Impulskontrolle und vieles mehr. Zusammengefasst sind sie unser Fundament des Lebens.​

Wenn alles gut läuft, ist somit der Grundstein für eine optimale Schulreife gelegt. Wie bei einem Baum, bei dem sich die Wurzeln gefestigt haben und das Blätterwerk wachsen und sich entfalten kann. Leider kommt es immer häufiger vor, dass die Reflexintegration auf natürliche Weise nicht abgeschlossen wird und es Restreaktionen der frühkindlichen Reflexe bleiben.

Der Reifungsprozess, sowohl motorisch als auch neuronal, ist damit noch nicht ganz abgeschlossen. Die reflexartigen Bewegungsmuster hören nicht auf. Es entsteht ein Ungleichgewicht. Das kostet nicht nur viel Kraft und Energie, sondern kann auch einen enormen Einfluss auf das spätere Sozial- und Lern-Verhalten haben. In vielen Lebensbereichen und Altersstufen kann dies zu unterschiedlichen Auffälligkeiten führen.

Hier mehr über mögliche Symptomatiken bei fehlender Reflexintegration erfahren.

Übersicht der Reflexe – Auswirkungen bei Nichtintegration!!

In der nachfolgenden Übersicht stelle ich die Reflexe vor und die Auswirkungen, wenn ein Reflex nicht integriert ist. Das gilt übrigens nicht nur für Kinder. Auch bei vielen Erwachsenen sind nicht alle Reflexe integriert.

Furcht-Lähmung-Reflex (FLR)

Der FLR sorgt für angemessenen Umgang mit Stress-/ Schrecksituationen.
Betroffene Kinder haben ihre Schultern oft hochgezogen, sind schüchtern, hochsensibel und ängstlich. Sie erstarren in Schrecksituationen.
Treffen sie auf viele Menschen, bedeutet dies Stress für sie. Sie zeigen eine schlaffe Körperhaltung mit schlechter Koordination und Gleichgewicht. Emotional zeigt sich das Persistieren dieses Reflexes durch Trennungsängste, Schulängste oder Schwierigkeiten, Gefühle zu zeigen bzw. zu äußern.

Moro-Reflex

Der Moro zeigt sich vor allem im sozial-emotionalen Verhalten.
Die Kinder reagieren oft übersensibel mit Wut- und Tränenausbrüchen. Betroffene Kinder haben Schwierigkeiten, Zuneigung zu zeigen und anzunehmen. Sie haben Probleme in der Kontaktaufnahme, reagieren oft nicht der Situation angemessen und sträuben sich gegen Veränderungen und neue Situationen. Sie zeigen Stimmungsschwankungen, können sich schlecht anpassen und spielen nicht gerne mit anderen Kindern.
Sie ertragen schlecht Kritik, Wettbewerb, Streit und Stress. Es besteht eine Überempfindlichkeit der Sinne, besonders der Augen bei Helligkeit.
Je älter ein Mensch ist, dessen Moro Reflex noch andauert, desto mehr neigt er zu depressivem und ängstlichem Verhalten, zeigt ein geringes Selbstbewusstsein und mangelnde Kritikfähigkeit. Vermehrt zeigen sich Panikattacken und Angstneurosen.

Bonding-Reflex

Der Bonding-Reflex ist der emotionale Abschluss der Geburt. Der Herzschlag der Mutter entspannt, beruhigt, sorgt für die Bindung und emotionale Beziehung.
Kinder mit nicht integriertem Bonding sind ängstlich, wollen nicht allein sein, brauchen viel Zuspruch und Aufmerksamkeit. Sie provozieren gerne, sind nachtragend, oft der Familienclown, und kommen mit Autoritätspersonen nicht zurecht. Sie haben Angst zu versagen.

Landau-Reflex

Kinder mit nicht integriertem Landau-Reflex haben oft Schwierigkeiten bei der Koordination von Ober- und Unterkörper. Sie zeigen häufig eine steife Körperhaltung, eine generell eher schlechte Haltung und haben kaum Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit. Dies zeigt sich besonders bei Problemen beim Erlernen des Brustschwimmens.

Tonischer Labyrinthreflex (TLR vorwärts)

Diese Kinder setzen sich bei jeder Gelegenheit auf den Boden oder lehnen sich an. Stehen ist anstrengend, sie haben eine schlechte Körperhaltung und einen runden Rücken. Sie stabilisieren sich, indem sie die Arme verschränken oder die Daumen in die Gürtelschlaufen schieben.
Schulisch fallen sie auf, da sie häufig Buchstaben verdrehen, in Spiegelschrift schreiben und auch Schwierigkeiten haben, von der Tafel abzuschreiben. Außerdem sind eine schlechte Zeitwahrnehmung und Ordnungsfähigkeit auffällig. Diese Kinder haben Mühe, grammatikalische Strukturen zu erkennen.

Tonischer Labyrinthreflex (TLR rückwärts)

Betroffene Kinder bewegen sich steif, gehen oft auf Zehenspitzen oder krallen ihre Zehen beim Gehen ein. Sie haben Schwierigkeiten beim Einschätzen von Raum, Tiefe, Entfernung und Geschwindigkeit. Sie sind ständig in Bewegung, um das Gleichgewicht zu halten. Es fällt Ihnen schwer, sich zu organisieren, z.B. aufzuräumen, haben ein schlechtes Zeitgefühl, sind vergesslich. Auch Schwierigkeiten beim Abschreiben von der Tafel oder das Verdrehen von Buchstaben sind häufig erkennbar.

Symmetrisch Tonischer Nackenstellreflex (STNR)

Kinder mit persistierendem STNR sind häufig nicht gekrabbelt, sondern gleich aufgestanden und gelaufen. Sie zeigen sich motorisch ungeschickt, kleckern vermehrt beim Essen. Das Erlernen des Schwimmens ist für sie erschwert, da die Koordination der Arme und Beine nicht gut gelingt.
Auch eine mangelnde Auge-Hand-Kopf-Koordination ist zu beobachten.

Sie haben häufig Probleme mit dem Abschreiben von der Tafel, da das Kind dabei ständig den Kopf heben und senken muss. Bei einem noch persistierenden Reflex führt jede Kopfbewegung nach oben oder unten zu einer reflexartigen Haltungsveränderung. Dies wird vom Kind unterdrückt, was aber viel Energie kostet (die so nicht mehr für Aufmerksamkeit und Lernen zur Verfügung steht) und zusätzlich zu Verkrampfungen in Armen und Händen führt.
Diese Kinder lümmeln am Tisch, sitzen gerne auf einem oder beiden Beinen oder wickeln die Füße um die Stuhlbeine. Die Kinder malen und schreiben lieber halb auf dem Tisch liegend. Häufig zeigen sie auch Schwierigkeiten beim Hüpfen und Springen. Ihre mündliche Leistung ist besser als die schriftliche.

Studien besagen, dass bei 75% der Kinder mit Lernstörungen, der STNR noch aktiv ist.

Asymmetrischer Tonischer Nackenstellreflex (ATNR)

Betroffene Kinder haben oftmals spät Laufen gelernt, da sie Gleichgewichtsprobleme haben. Außerdem sind sie in ihrer grob- und feinmotorischen Entwicklung auffällig. Dieser Reflex hat Einfluss darauf, ob jemand Rechts- oder Linkshänder oder auch Beidhänder wird.
Diese Kinder lesen und schreiben nicht gerne, und ihre Rechtschreibung ist fehlerhaft. Beim Schreiben ohne Linien fallen die Zeilen nach rechts oder links ab. Sie drehen oft das Heft beim Schreiben, vertauschen Buchstaben oder lassen sie aus. Häufig üben sie auch zu viel Druck auf den Stift aus.
Alle Überkreuzbewegungen sind erschwert. Schauen sie beim Fahrradfahren nach rechts, fahren sie auch nach rechts. Häufig sind geschmeidige Augenbewegungen nicht möglich.

Amphibien-Reflex

Kinder, bei denen der Amphibien-Reflex nicht entwickelt ist, sind häufig nicht gekrabbelt und hatten als Kleinkind Probleme sich zu rollen. Sie laufen nicht gerne Treppen und wandern wird möglichst vermieden.

Spinaler Galant

Diese Kinder können nicht stillsitzen, bewegen sich mit einseitiger Hüftrotation, sind hyperaktiv und haben einen unruhigen Schlaf. Mangelnde Blasenkontrolle, Bettnässen bis nach dem 5. Lebensjahr und Verdauungsstörungen können auftreten.
Die Kinder sind überempfindlich am Rücken und mögen keine enge Kleidung oder Gürtel, die Schildchen müssen aus der Kleidung herausgeschnitten werden. Fehlhaltungen, Skoliose und ein schiefer Gang sind möglich.

Spinaler Perez

Diese Kinder liegen nicht gerne auf dem Rücken, zeigen mangelnde Blasenkontrolle und Verdauungsstörungen. Oftmals haben sie Probleme mit Bettnässen über das Alter von 5 Jahren hinaus. Sie zeigen häufig einen schlechten Muskeltonus, haben oft ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis und haben Schwierigkeiten logisch und abstrakt zu denken. Auch reagieren sie häufig überempfindlich auf auditive oder kinästhetische Reize.

Babinski-Reflex

Dieser Reflex zeigt sich durch Löcher im Socken am großen Zeh, Halux Valgus und Fersensporn, Betroffene Kinder zeigen Verschleißspuren am Schuh, Gleichgewichtsprobleme, verzögerte Sprachentwicklung und spätes Laufen-lernen.

Palmar-Reflex

Der Palmar-Reflex steht in engem Zusammenhang mit dem Saugreflex. Er zeigt sich bei den betroffenen Kindern durch Zähneknirschen, unwillkürliche Zungenbewegungen und undeutliches Sprechen. Eine schlechte Handschrift, mangelnde Stifthaltung und Feinmotorik mit Mund-mit-Bewegung werden häufig beobachtet.

Babkin-Reflex

Dieser Reflex ist wichtig für die Sprachentwicklung, die Koordination von Hand und Mund, die Entwicklung der Mimik.
Bei den Kindern zeigen sich schmerzhafte Verspannungen in Nacken- und Brustmuskulatur, schwache Handmuskulatur => Schwierigkeiten in der Feinmotorik, verkrampfte Stifthaltung, beeinträchtigte Kommunikationsfähigkeiten, all dies können Anzeichen eines persistierenden Reflexes sein.

Plantar-Reflex (Fuß-Greifreflex)

Anzeichen für einen persistierenden Reflex können die Bildung von Hühneraugen und/oder Hammerzehen sein. Betroffenen Kinder zeigen ein umständliches Anziehen von Strümpfen und Schuhen, Zehenspitzengang, “wackelige” Füße, schlechte Handschrift, mangelnde Feinmotorik, Zähneknirschen.

Saugreflex

Dieser Reflex zeigt sich durch Probleme mit der ersten Nahrungsaufnahme, das Essen wird mit der Zunge wieder aus dem Mund herausgeschoben. Schluckbeschwerden, sabbern und fehlendem Mundschluss. Bei diesen Kindern ist später oft eine Gebisskorrektur mit einer Zahnspange nötig. Sie sind hypersensibel im Lippen- und Mundbereich.
Ständiges Kauen oder Lecken an Gegenständen (Pullover, Jacken, Bleistifte usw.) undeutliche Aussprache, Artikulationsprobleme (z.B. Lispeln) zeigen ein mögliches Persistieren des Reflexes an.

Hochziehreflex

Dieser Reflex ist zuständig für die Hand/Mund-Koordination und Propriozeption (= die Wahrnehmung des eigenen Körpers über dessen Lage im Raum, den Stellungen von Kopf, Rumpf und Gliedmaßen zueinander sowie deren Veränderungen als Bewegungen mitsamt dem Empfinden für Schwere, Spannung, Kraft und Geschwindigkeit). Bei zu starkem Aufdrücken auf dem Papier, eine verkrampfte Stifthaltung, Konzentrationsprobleme speziell beim Schreiben (LRS) und Mundbewegungen beim Schreiben ist an ein Persistieren des Reflexes zu denken.

Greifreflex

Dieser Reflex arbeitet zusammen mit dem Hochziehreflex und hat die Aufgabe der Entwicklung von Fein- und Grobmotorik der Hand, Unterscheidung von rechts und links, Hand-Mund- und Mund-Fuß-Koordination. Pinzettengriff.
Wenn das Kind die Pullover- oder Jackenärmel in die Hände zieht und sie festhält, nichts loslassen und damit nichts aufnehmen kann, ist an ein Persistieren dieses Reflexes zu denken.

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